Seekutter 26 m, 27,8 m und KS-L
NATO-Code: Sperber-Klasse
Seekutter 27,8 m - Bau-Nr. 13 |
1948 beauftragte die sowjetische Militäradministration (SMAD) das Zentrale
Konstruktionsbüro in Berlin mit dem Entwurf eines Küstenwachbootes. Dieses
sollte auch über U-Jagdeigenschaften verfügen.
Aus Geheimhaltungs- und Tarnungsgründen erhielt das Projekt die Bezeichnung
Seekutter. Später wurden dann die Boote als Küstenschutzboote (KS) bezeichnet.
Sie waren Backdeckboote mit einem geknickten Spiegelheck. Der Schiffskörper war
aus Schiffbaustahl, der zum Teil genietet und geschweißt war. Die
Seeeigenschaften waren der Ostsee angepasst, so dass sie noch bis Seegang 6/7
ihren Dienst versehen konnten.
26 m Seekutter (1.BA)
Im September 1948 erhielt die Claus-Engelbrecht-Werft Berlin (die spätere
Yachtwerft) den Auftrag zum Bau von sechs Seekuttern 26 m.
Im April 1950 lief das erste Boot, Bau-Nr. 1/50, auch als SK-1 bezeichnet, vom
Stapel. (SK = russisch: Storozevoj kater = Wachboot) Die Erprobung begann
bereits im Juni 1950 auf dem Berliner Müggelsee.
Am 01. Juni 1950 begann in
Berlin die Baubelehrung für die Besatzungen der Seekutter.
Vom Juli bis Dezember 1950 wurden die ersten drei Boote nacheinander über Binnenwasserstraßen nach
Wolgast überführt, wo die Ausrüstung vervollständigt wurde. Weiter ging es dann
nach Parow.
Die folgende See-Erprobung des SK-1 zeigte, dass die geforderte Geschwindigkeit nicht
erreicht werden konnte. In der Volkswerft Stralsund wurde deshalb der Rumpf um
1,50 m verlängert, aber das brachte keine Geschwindigkeitserhöhung.
Erfolgreicher war dagegen die Umwandlung der beiden äußeren der insgesamt drei
Propeller in nach innen
schlagende Propeller. Damit erreichte man einen
Geschwindigkeitszuwachs von 1,5 kn.
Weitere drei Boote trafen 1951 in Parow
ein. Alle sechs Boote erhielten im Juli 1951 in Wolgast ihre Erstbewaffnung.
Diese Boote werden als 1. Bauausführung (1.BA) bezeichnet.
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Einige KS-Boote der 1. BA verfügten über ein taktisches Zeichen am Mast über der unteren Rahe. Es war ein Rhombus mit einem Balken, der in eine bestimmte Richtung zeigte. Bekannt ist bisher das Zeichen der Bau-Nr. 2/50, siehe Bild oben. Wie lange solche Zeichen verwendet wurden ist unbekannt, nachweisbar sind sie bis zum Jahr 1959. [Bild]
Die ersten Besatzungen der Boote bestanden meist aus Mannschaften und Unteroffizieren der Kriegsmarine. Sie brachten die Tradition der „Malings“ mit. Diese wurden seitlich am Deckshaus in weißer Farbe angebracht. Bekannt sind folgende: Bord-Nr. 121 ein Schwertfisch und Bord-Nr. 122 ein Schwan. Wahrscheinlich Ende 1952 wurden diese Malings per Befehl abgeschafft.
KS-L
Dieses
Einzelboot wurde direkt als Schulboot gebaut, das „L“ steht dabei für
„Lehrfahrzeug“.
Es handelt sich um ein modifiziertes Projekt des 26-m-Seekutters. Baubeginn war
auf der Elbewerft Edgar André in Rothensee bei Magdeburg. Da es dort Schwierigkeiten
beim Bau des Rumpfes gab, wurde das Boot ab Juli 1951 auf der Peenewerft Wolgast
weitergebaut.
Wegen der wesentlich geringeren Geschwindigkeit im Vergleich zu den
Einsatzbooten erhielt dieses Boot in der Flotte den Beinamen
„KS-langsam“. Am 22.Dezember 1951 wurde das Schulboot in Dienst gestellt. Mit der
Bord-Nr. 912 und ab 1953 mit Bord-Nr. 842 versah es seinen Dienst in Parow bis August 1956.
Nachdem das Boot in der Peenewerft Wolgast abgerüstet und umgebaut worden war, ging es
an die Gesellschaft für Sport und Technik (GST). Bei der Marineschule Greifswald-Wieck
verblieb es unter dem Namen „Patriot“. 1960 wurde das Boot verschrottet.
27,8 m Seekutter (2.BA)
Im Ergebnis der Erprobungen der 1.BA wurde das Projekt überarbeitet. Der
Bootskörper wurde um 2 Meter verlängert, und die Aufbauten wurden verändert. Die
Antriebsanlage blieb unverändert, erhielt aber ein zentrales Fahrpult.
Durch die veränderte Form des Bootskörpers konnte nun eine Geschwindigkeit von
24 kn erreicht werden.
Von den insgesamt 22 Booten wurden sechs auf der Peenewerft Wolgast gebaut, die
anderen auf der Yachtwerft Berlin.
Vier Boote erhielten zunächst noch die Bewaffnung der 1.BA, alle weiteren je 2x
20-mm-Oerlikon mit Trommelmagazin für 60 Schuss.
Diese Boote werden als 2. Bauausführung (2.BA) bezeichnet.
U-Jagdvariante
Alle Boote waren von Anfang an für den U-Jagd-Einsatz vorbereitet. Technik
dafür wurde nicht eingebaut, aber die entsprechenden Räumlichkeiten wurden
vorgehalten.
1953 begann man mit der Umrüstung von KS-Booten zur U-Bootabwehr. Diese Boote
erhielten die aktive hydroakustische Anlage Tamir-10 aus der UdSSR und zwei
Wasserbomben-Ablaufgerüste für je sechs Wasserbomben. Es gab U-Jagdgruppen in
der 1., 3. und 4.Flottille. [Bild]
Modernisierung
In den 60er Jahren war man
ersatzteilseitig nicht mehr in der Lage, die Junkers-Motoren aufzuarbeiten.
Darum erfolgte bei allen noch in Dienst befindlichen Booten eine
Motorenumrüstung. Die Boote erhielten je zwei umsteuerbare Motoren 6 NVD 26A mit
zusammen 397 kW Leistung, die auf die beiden Außenwellen wirkten.
Die mittlere Antriebslinie wurde ausgebaut. Die geringere Geschwindigkeit spielte nun keine Rolle
mehr, da zur U-Bootbekämpfung inzwischen U-Jäger aus der UdSSR (Projekt 201M) im
Schiffsbestand waren.
Die Bewaffnung der 1.BA und der ersten vier Boote der 2.BA wurde bei fast allen
Booten auf
den Stand der 2.BA gebracht, 2x 20-mm-Oerlikon mit 60 Schuss Trommelmagazin.
Später wurde teilweise auf zwei Doppellafetten 12,7 mm MG Typ DScha-K
umgerüstet.
Auch erhielten einige Boote ein Radar (Funkmeßstation - FuM) und einen
Gittermast am Ruderhaus.
Einsatz im Grenzdienst
Bereits im Juni 1952 musste die damalige Seepolizei acht KS-Boote mit
Besatzungen und Stab an die Deutsche Grenzpolizei abgeben.
Da sie aber nicht für den Grenzdienst konzipiert waren, genügten sie auch nicht
den entsprechenden Anforderungen. Aus diesem Grund durchliefen die Boote 1959
auf der Werft in Rostock-Gehlsdorf ein Modernisierungsprogramm. Die Brücke wurde neugestaltet.
Die Boote wurden mit einer Rundsicht-FuM-Anlage Typ Sarnitza, Echoloten und UKW-Funkgerät „R 609“
ausgerüstet. Zusätzlich ist ein 500 Liter-Trinkwasserbehälter eingebaut worden. Die Artilleriebewaffnung
wurde auf 2x2 Fla-MG 12,7 mm Typ DScha-K-2UK umgerüstet.
1962 übernahm die Grenzbrigade Küste nochmals 12 Boote, diese wurden aber nicht
mehr modernisiert. Bei einigen dieser Boote erfolgte eine Umrüstung der
Bewaffnung auf 2x2 14,5 mm Fla-MG Typ 2-M7.
Schulboote
Das KS-L wurde von Anfang an als Schulboot mit der Bord-Nr. 912 (später 842) in Parow
eingesetzt.
Elf weitere KS-Boote, die später als Schulfahrzeuge liefen, trugen in diesem
Zeitraum ein „S“ vor ihrer Bordnummer - siehe Chronologie.
Einsatz als Flugsicherungsboote
Vier Boote wurden ab 01.01.1962 als Flugsicherungsboote, Bord-Nr. mit einem
davorgesetzten Buchstaben U (siehe Chronologie), klassifiziert. Ihr Standort war
anfangs Tarnewitz, danach Warnemünde. Weiteres über Aufgaben, Einsatz usw. ist nicht
bekannt. Am 01.12.1962 wurden die vier Boote an die Grenzbrigade übergeben.
Verbleib
Die KS-Boote wurden zwischen 1963 und 1969 außer Dienst gestellt. Die
meisten Boote wurden abgebrochen. Wenige wurden für Ausbildungszwecke in
abgerüsteten Zustand verwendet.
Von ihnen übernahm die GST außer dem KS-L zwei weitere Boote ab November 1960 in ihren Bestand. Sie wurden nochmals instandgesetzt und modernisiert. Die Boote kamen zunächst an der GST-Marineschule Greifswald-Wieck als „Pionier“ und „Partisan“ bis 1967 zum Einsatz [externes Bild]. Danach gingen die Boote an Ausbildungszentren der GST - siehe Chronologie. Ein weiteres Boot wurde ab 07.11.1969 beim GST-Kreisausbildungszentrum Stralsund am Rügendamm als „Ernst Schneller“ gefahren.
Daten
26 m Seekutter - 1.BA | KS-L | 27,8 m Seekutter - 2.BA | |
Deplacement: | 72 t | 63 t | 78,4 t |
Länge: | 26,80 m | 26,80 m | 27,80 m |
Breite: | 4,60 m | 4,60 m | 4,80 m |
Tiefgang: | 1,40 m | 1,40 m | 1,50 m |
Geschwindigkeit: | 20 kn | 10 kn | 24 kn |
Antrieb: | 3 x Jumo 205 C oder D Junkers-Flugzeugmotoren* mit je 400 kW | 2x Viertaktmotoren Buckau-Wolf 6 NVD 24 mit je 73 kW | 3 x Jumo 205 D Junkers-Flugzeugmotoren* mit je 400 kW |
Hilfsmaschine: | 2x 2HK 65 | ? | 2x NVD 14 |
Besatzung: | 20 Mann [weitere Informationen] | 12 Mann | 20 Mann |
Bewaffnung: | 1x2 20 mm vorn und 1x 20 mm Flak 38 ** achtern; später teilweise auf 2x 20 mm Oerlikon umgerüstet |
1x 20 mm | Die ersten 4 Boote wie 1.BA 2x 20 mm Oerlikon |
* Diese Flugzeugmotoren wurden u.a. in den Flugbooten Do 18 und BV 138
verwendet, die auch auf dem Fliegerhorst Parow stationiert waren.
** mit Steckmagazin für 20 Granaten
Ein Erlebnisbericht von Bernd Sämann von 1952/53 über die Baubelehrung und das Leben an Bord in den Standorten Wolgast und Saßnitz. [hier]
© 2010 - 2015 Peter Kieschnick
Eine Chronologie der Bordnummern der KS-Boote Typ „Seekutter“ ist durch Helbe
und Horma (Horst Maiwald, [Horma] †2014) erarbeitet worden. Diese Chronologie
unterliegt dem Urheberrecht. Für private Nutzung ist diese frei. Für
Veröffentlichung in Print-Medien und/oder im Internet bedarf es der Genehmigung
durch die Autoren. Das gilt auch für Auszüge aus dieser Chronologie.
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Eine Überarbeitete Chronologie mit Stand Januar 2020
liegt vor.
Weitere Chronologien sind hier.