Winter 1978 / 1979
Hubschraubereinsatz
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Seit Freitag, dem 29.12.1978, gab es extreme Witterungsbedingungen mit enormen Schneefällen,
heftigen Winden und strengem Frost. Schon nach wenigen Stunden waren zahlreiche
Straßen unpassierbar, Züge blieben im Schnee stecken, Ortschaften waren
von der Außenwelt abgeschnitten. Schneewehen erreichten stellenweise Höhen von 4 bis 5 Metern, und
der Wind blies mit einer
Geschwindigkeit bis zu 30
m/s.
Unter diesen Bedingungen flogen auch die Hubschrauber des
Hubschraubergeschwaders HG-18 der Volksmarine.
Ihr Einsatzgebiet waren die Inseln Rügen, Hiddensee und Usedom sowie die
Kreise Stralsund und Grimmen.
Die Soldaten des ingenieurtechnischen und sicherstellenden Personals sorgten dafür, dass die
Hubschrauber zu ihren Einsätzen starten konnten.
Bei klirrender Kälte und
eisigem Wind, sehr starkem Schneetreiben mit starken Schneeverwehungen musste der Schnee wieder und wieder geräumt
werden. Besonders für die Tankwagen und alle anderen für den Flugbetrieb erforderlichen
Fahrzeuge war dies unbedingt notwendig.
Die Hubschrauber mussten technisch gewartet und mit Betriebsstoffen
versorgt werden.
Das ingenieurtechnische Personal arbeitete mit steifgefrorenen Händen und sorgte
dafür, dass alles
„wie am Schnürchen“ klappte.
Wenn ein Hubschrauber starte, verschwand er
für Augenblicke völlig in Schneegischt. Während des Fluges verhüllte den Piloten
der Flockenwirbel die Sicht, und der starke Wind erforderte viel
fliegerisches Können. Es wurden durch Feuerwehren, Soldaten und vor
allem von Leuten aus den
Dörfern provisorische Landeplätze hergerichtet. Die Plätze und Zugänge mussten
ständig vom Schnee geräumt und mit einer Landemarkierung
versehen werden. Nur durch großes fliegerisches Können, das ständiges Flugtraining
voraussetzt, und das Zusammenspiel aller Beteiligten konnten die Hubschrauberbesatzungen
hohe Leistungen erreichten.
In der Zeit vom 31.12.1978 bis zum 05.01.1979 wurden
36 Einsätze mit 152 Starts und einer Flugzeit von 39 Stunden und 26 Minuten
geflogen.
Dabei wurden 8 Schwangere, 11 Kranke und 118 Personen befördert. Zur Versorgung
der Bevölkerung wurden 23 000 kg Lebensmittel sowie 14 000 kg
Dieselkraftstoff für Notstromaggregate transportiert.
Einen weiteren Wintereinbruch gab es im Februar 1979. Die extremen Witterungsbedingungen waren die
gleichen, wie zum
Jahresanfang. Die Marineflieger gaben auch diesmal Ihr Bestes.
In der Zeit vom
15.02.1979 bis zum 19.02.1979 wurden
83 Einsätze mit
320 Starts und einer Flugzeit von
110 Stunden und 25 Minuten geflogen. Dabei wurden
24 Schwangere, zwei lebensgefährliche Erkrankte und 19 Schwerkranke und Dialysepatienten
und
535 Personen befördert.
233 volle medizinische Sauerstoffflaschen á 80 kg und 600 Liter
Dieselkraftstoffe wurden transportiert.
12 Ortschaften wurden zur Versorgung der umliegenden Bereiche direkt angeflogen, dabei wurden u.a. ca. 10 000
Brote, 12 400 kg andere Lebensmittel (Butter, Mehl, Zucker usw.) transportiert.
Auszüge aus der Flugchronik
Sonntag, 31.12.1978
-
Universitätsklinik Greifwald und Klinik in Karlsburg mit medizinischem Sauerstoff versorgt.
- Zwei Schwangere wurden ins Krankenhaus geflogen.
- Ersatzteile für die Deutsche Reichsbahn geflogen.
- Austausch der Kraftwerksmannschaft des Kernkraftwerkes „Bruno Leuschner“ bei schlechter Sicht und
Schneetreiben.
Montag, 01.01.1979
- Eine werdende Mutter musste von Reinberg bei Grimmen zur
Frauenklinik nach Stralsund gebracht werden. Ein Hubschrauber unter Leitung von
Korvettenkapitän Bernd Fischer flog trotz widriger Witterungsbedingungen nach
Reinberg und landete gegen 04:40 Uhr und startete fünf Minuten später mit der
Schwangeren. Um 05:06 Uhr landete der Hubschrauber in Stralsund. Um 10:30 Uhr erblickte ein
3080 Gramm schwerer und 50 cm langer Junge das Licht der Welt.
- Einen Schwerkranken aus der eingeschlossenen Gemeinde Neuenkirchen nach Stralsund gebracht.
- Überführung von zwei schwerkranken Personen von Venz (Rügen) und Barth in das
Krankenhaus Stralsund.
- Beginn der Versorgung der Bevölkerung auf der Insel Hiddensee mit fünf Tonnen Lebensmitteln.
Dienstag, 02.01.1979
- Rügen war in tiefem Schnee versunken. Es gab keinen
Weg zur Entbindungsstation. Der Ehemann in Posewald lud seine hochschwangere Frau Rotraud
Hoge auf einen
Schlitten und brachte sie bei klierender Kälte zur Ambulanz nach
Putbus. Das Kind konnte nicht geholt werden, es kündigten sich Komplikationen
an. Es gab nur eine Möglichkeit: zum Bezirkskrankenhaus nach Stralsund per
Hubschrauber. Am 02.01.1979 tobte noch nimmer der Schneesturm. Aber der
Hubschrauber landete trotzdem. Um 07:30 Uhr startete der Hubschrauber mit der
Frau. Um 09:20 Uhr wurde das Mädchen Bettina Hoge mit Hilfe eines Kaiserschnittes geboren.
Am 07. Oktober 1979 übernahm das Hubschraubergeschwader für das Mädchen Bettina
die Ehrenpatenschaft bis zur Volljährigkeit. Mit der Wende ging leider auch die
Patenschaft zu Ende.
- Drei Frauen, die unter komplizierten Bedingungen
Mutterfreuden entgegensahen, wurden von Putbus, Lohme und Zarrendorf nach Stralsund geflogen.
- Fünf Schwerkranke aus eingeschlossenen Ortschaften (aus Baabe zwei) ins Krankenhaus geflogen.
- Zwei kranke Kinder aus Niederhof bei Brandshagen mit
ärztlicher Begleitung zum Krankenhaus geflogen.
- Eine Ärztin zum Krankenhaus nach Putbus gebracht.
- 2,5 Tonnen Grundnahrungsmittel für die Insel Hiddensee.
- Versorgung der Seefunkstation Rügen-Radio mit 60 Fässern Dieselkraftstoff zu je
200 Litern für die Notstromaggregate sowie Brot, Butter, 17 Kästen
Milch, Kindernahrung und zehn Zentner Fleisch für die Einwohner von Lohme und Umgebung.
- Mit der Mi-8 Bord-Nr. 907 ein Flug nach Middelhagen auf Mönchgut,
Neukirchen im Nordostteil Rügens, Trent und Poseritz mit ca. 2 Tonnen Lebensmitteln
(frische Trinkmilch für Kinder, Butter, Fleisch und Wurst) trotz starken Schneefalls
(Hubschrauberbesatzung Korvettenkapitän Zeschmann, Oberleutnant Kleinert, Fähnrich Richter).
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unten: 02.01.1979 Lebensmittelversorgung durch Hubschrauber
818 in Vitte auf der Insel Hiddensee |
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Mittwoch, 03.01.1979
- Eine Besatzung um Korvettenkapitän Köhler übernimmt
nach einer dramatischen Landung neben zwei im Schnee steckengebliebenen Traktoren einen kranken acht-jährigen Jungen aus Trent, bei dem ein sofortiger
Blutaustausch erforderlich war und bringen ihn in das Krankenhaus Stralsund.
- Eine Frau in anderen Umständen aus Fernlütkewitz
und zwei erkrankte Personen aus Schapprode und Trent nach Stralsund gebracht.
- Zur Insel Hiddensee werden Medikamente gebracht.
- Versorgungsflüge nach Zudar, Rappin, Ummanz, Fernlütkewitz und Trent.
Donnerstag, 04.01.1979
Versorgungsflüge nach Ummanz und Poseritz
Freitag,
16.02.1979
- Acht Schwangere wurden aus Semlow, Barth, Richtenberg, Schaprode,
Zundar, Dreschwitz und Sellin nach Stralsund gebracht.
- Neun Kranke bzw. Schwerverletzte wurden aus Hugelsdorf, Franzburg, Barth, Dreschwitz, Schönberg, Grevesmühlen und Sellin nach Stralsund geholt.
- Vier Flüge zur Kontrolle der Überlandleitung erfolgte mit Spezialisten des Energiekombinates Nord.
- 104 Schichtarbeiter des Kernkraftwerkes Nord bei Greifswald wurden ein- bzw. ausgeflogen.
- 2000 Brote für Franzburg und 6000 Brote für Stralsund wurden aus Grimmen geholt.
- Je eine Tonne Lebensmittel wurden von Bergen und von Ummanz nach Schaprode geflogen.
- 102 000 Kücken wurden von Groß-Stieten nach Grimmen gebracht.
- Eine NVA Dienststelle auf Rügen wurde mit Lebensmittel und mit
Dieselkraftstoff versorgt
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