Text: StFw Sebastian Landgraf, MTS
Marinetechnik, die begeistert
Berufsorientierung der
besonderen Art: Im Rahmen des „Technik- und IT-Camps“ waren 28 Jugendliche
aus ganz Deutschland vom 15.bis 19. Oktober 2018 an der Marinetechnikschule
Parow. Unter dem Motto – Marinetechnik hautnah erleben, tauchten die Mädchen
und Jungen in den Alltag eines Marinesoldaten ein und erkundeten, was hinter
den Zäunen und Mauern einer Kaserne passiert. Das Wochenprogramm beinhaltete
Teile der Militärischen Grundlagen, einen Einblick in die Schiffstechnik und
IT-Systemelektronik und das Gefühl vom Leben an Bord eines Schiffes.
Ungeduldig warteten am Nachmittag des 15.Oktobers Jugendliche aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands am Hauptbahnhof Stralsund. Als ein Bus der Bundeswehr am Haltepunkt stoppte, wurde die Aufregung spürbar größer. Für die Mädchen und Jungen hieß es volle Fahrt voraus zur Marinetechnikschule Parow. An den nächsten fünf Tagen erwartete die Besucher ein spannendes Programm aus Marinetechnik und militärischen Grundlagen. Das Besondere: Sie nahmen nicht nur an der Ausbildung der Marinesoldaten teil, sondern durften auch in der Kaserne übernachten. Vom Hauptbahnhof Stralsund ging es direkt in das „Shopping-Center“ der Marineschule. Der Modeladen war hierbei der Bekleidungs-Service der Soldaten. Binnen weniger Minuten wurden aus Pullovern Feldblusen, aus Jeans Feldhosen und aus modischen Markenschuhen Kampf- und Seestiefel. Sarah Nowak ist aus dem 900 Kilometer entfernten Ruppertsberg, Rheinland-Pfalz, an die MTS angereist. „Die Einkleidung mit den Uniformen war total spannend. Bei den anderen Truppenbesuchen durften wir keine Uniform anziehen“, erzählt die 19-jährige. Nachdem alle ihre Stuben bezogen, die Ausrüstung verstaut und die Böcke, die Betten in Marinesprache, hergerichtet hatten, wurden die Teilnehmer in drei Gruppen eingeteilt. Die Bereiche Schiffstechnik, IT-Systemelektronik und Elektrotechnik bildeten hierbei für die Jugendlichen den technisch maritimen Rahmen innerhalb der Projektwoche.
Mit den Schiffstechnikern auf Kurs
Auf den Spuren
von Diesel und Pascal wurde den Teilnehmern die Funktionsweise eines
Schiffsdieselmotors anschaulich erklärt. Kapitänleutnant Benjamin Rabe
erläuterte leidenschaftlich das See klarmachen eines Schiffsmotors. Die
technisch interessierte Gruppe konnte dabei den Ölstand, den Wasservorrat
und die Kraftstoffmenge prüfen. Nach der Überprüfung kam der besondere
Moment – das Starten des Dieselmotors. Kevin Reincke durfte den Startknopf
drücken und circa 1690 PS dröhnten in der Ausbildungshalle. „Das war schon
ein richtig cooles Gefühl den Motor zu starten. Es steckt sehr viel Kraft
dahinter“, ergänzt der 16-jährige Jugendliche aus der Nähe von Neustrelitz.
Der Motor sprang an und die Jugendlichen waren stolz auf Ihre Leistung. Nach
dem Ausflug in die Motorentechnik hieß es: „Feuer an Bord!“. In der
Atemschutzausbildung wurden die Jugendlichen in die Rolle eines
Feuerwehrmanns/-frau an Bord eines Schiffes versetzt. Oberbootsmann Paul
Hildebrandt, Ausbilder Atemschutz, erläuterte anschaulich die
Herausforderungen für einen späteren Einsatz als Brandbekämpfer an Bord. Die
Teilnehmer schlüpften vom Bord- und Gefechtsanzug (BGA) in die
Feuerwehruniform und konnten die Atemschutzflaschen selber auf dem Rücken
anlegen. Dabei kamen die Schülerinnen beim Anlegen der 20 Kilogramm schweren
Flaschen ordentlich ins Schwitzen. Nele Wagner (18) aus Neumünster erklärte:
„Ich konnte mich in die anstrengende Arbeit sehr gut reinfühlen. Es war
anstrengend aber hat großen Spaß gemacht.“. Zum Abschluss folgte
der Höhepunkt an dieser Station: ein gemeinsame Durchlauf der
Orientierungsstrecke. Angeleitet und unterstützt von den Marinesoldaten
bewegten sich die Teilnehmer gekonnt durch den anspruchsvollen Parcours.
Hier zeigten sie tollen Zusammenhalt und Teamfähigkeit. Sie kletterten,
krochen und zwängten sich durch schmale Öffnungen und Hindernisse. Nach der
Feuerwehrwehrausbildung, hieß es: „Leinen los!“ Marine und Ostseeküste,
Wasser und Wind – dieses besondere Gefühl wartete jetzt auf die
Besuchergruppe. Die jungen „Matrosen“ starteten zu ihrer ersten Seefahrt.
Einige schlüpften dabei in die Rolle des Kapitäns und ließen sich vom
Bootspersonal in die Geheimnisse der Steuerung und Navigation einweisen. Es
war ein spannender und erhabener Moment.
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LED-Leucht-Anker löten im Rahmen der Schiffselektrotechnik
Ein weiterer Ausbildungsschwerpunkt lag in der Elektrotechnik.
Hier wurde den Teilnehmern die Besonderheiten der Stromerzeugung an Bord der
Schiffe erläutert. Was in der eigenen Wohnung an Strom und Spannung als
selbstverständlich angesehen wird, bedeutet für das Leben auf See eine hohe
technische Herausforderung. An einem Dieselmotor erhielten die
interessierten Gäste einen Einblick in die Stromerzeugung- und
Stromversorgung auf See. Um den großen technischen Anforderungen gerecht zu
werden, bedarf es einer umfassenden qualifizierten Ausbildung der Soldaten.
Die Schüler schlüpften in die Rolle eines Elektronikfachmanns und konnten so
das Zusammenspiel von berufsschultypische Theorie und die betriebliche
Praxis kennen lernen. Aufgabe war es, einen Anker aus Leuchtdioden zu
fertigen. Mit hoher Konzentration wurde gebogen, gelötet und fixiert und
Arbeitstemperaturen oberhalb von 450°C erreicht. Der Lötnebel hüllte die
Plätze ein, und so mancher Kopf der Gruppe qualmte vor Anstrengung. Am Ende
zeigten alle „Elektroniker“ stolz ihren funktionsfähigen LED-Leucht-Anker.
„Das schafft so manch einer unserer Soldaten nicht so gut“, lobte
Stabsbootsmann Holger Horn, Verantwortlicher für die Löttechnik an der MTS.
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Schiffe sind schwimmende Netzwerke
IT-Technik und
Marine - passt das zusammen? Einige Teilnehmer waren überrascht als es im
Bereich der IT-Systemelektronik um das Zusammenbauen eines Roboters gehen
sollte. Anhand des Programms Lego Mindstorm stellten die Schüler einen
fahrfähigen Roboter zusammen. Zuerst wurden die Bauteile nach „Lego Manier“
zusammengesteckt und somit das Fahrgestell vorbereitet. Dann ging es an die
Programmierung. Anhand einer digitalen Betriebsanleitung wurden Sensoren und
Motoren so programmiert, dass sich der fahrbare Roboter links, rechts,
vorwärts und rückwärts im Raum bewegen konnte. Tobias Liewald (19) war sehr
überrascht. „Ich hatte Angst dass die IT-Technik wie in der Schule nur
theoretisch ausgebildet wird. Diese Angst wurde mir hier an der MTS
genommen. Es war sehr angenehm Theorie und Praxis gezeigt zu bekommen“,
sagte der Schüler. Kapitänleutnant Ratz, Ausbilder IT-Systemelektronik, ist
die Wertigkeit des IT-Fachmanns sehr wichtig. „Durch Ausbildung und
Spezialisierung sind unsere Soldaten gefragte Leute auf dem zivilen
Arbeitsmarkt. Dazu kommt die Berufserfahrung an Bord unter schwierigen
Bedingungen“, erläutert der erfahrene Marinesoldat. Vanessa Helmrich aus
Lüneburg hatte mit der IT-Technik bisher keine Erfahrung. „Durch das Camp
werde ich mich weiter mit IT beschäftigen. Es hat mir sehr gefallen“,
ergänzt die 19-jährige.
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Wechsel vom Zivilleben in die militärische Umgebung
Nachmittags nahmen die Teilnehmer Kurs auf die Grundausbildung. Die Schüler
erlebten hautnah die Ausbildung der Rekruten. So wurde das Mittagessen aus
der Truppenküche in das Ausbildungsgelände der Grundausbildung verlegt.
Zwischen Baumstämmen und Sträuchern wurde Erbsensuppe gegessen und die
Schüler kamen schnell mit den Rekruten ins Gespräch. Im Anschluss lernten
die Teilnehmer, was es bedeutet Soldat zu sein. In tiefster Gangart bewegten
sich die Schüler durch das Gelände. Sie trotzten dem ungewohnten Untergrund
aus Sand, Rasen und kleineren Unebenheiten. Auch optisch wurden die
Teilnehmer an die besondere Geländeumgebung angepasst. Dazu stellte die
Marinesoldaten Tarnfarbe zur Verfügung. Mit sehr viel Spaß schminkten sich
die Schüler gegenseitig und wollten die Tarnung auch bis zum Ende des Tages
nicht ablegen. Fahrzeug- und Personenkontrolle, Feuerstellen herrichten
sowie das richtige Verhalten bei Kampfmittelerkennung waren weitere
anschaulich dargestellte Stationen. Beim Zeltbau staunten die Schüler, wie
viele Personen in einem Zwei-Mann-Zelt Platz finden. Mit acht Personen wurde
es schon sehr gemütlich. Pascal Behrens (18) wurde durch die Web Serie „Die
Rekruten“ auf die MTS aufmerksam. „Durch die Serie habe ich Interesse an der
Marine bekommen. Jetzt weiß ich wie die Realität aussieht und das war für
mich sehr positiv“, erzählt der Schüler. Die Teilnehmer zeigten sich
beeindruckt vom Leben in der militärischen Gemeinschaft. Das Schlafen auf
engstem Raum in Doppelstockbetten und die vielfältige Ausrüstung sorgte für
Erstaunen bei den Schülern. Zum Abschluss der soldatischen Grundlagen gingen
die Teilnehmer nochmal an Bord. Im Bootshafen der MTS liegt das
Hohlstablenkboot „Ensdorf“ . Das Ausbildungsboot diente den Schülern als
schwimmendes Klassenzimmer. Die Soldaten der „Ensdorf“ erklärten den
Teilnehmern die Brand- und Leckabwehr, Ankermanöver aber auch das Beheben
technischer Störungen an den Maschinenanlagen. Besonders die Unterkunft der
Seeleute hatte es den Besucherinnen angetan. Wie kann man nur in solchen
kleinen Betten schlafen und auf so einem engen Raum wohnen, waren die häufig
gestellten Fragen. Hier nutzten einige die Gelegenheit, sich von der
Bequemlichkeit der Kojen zu überzeugen. Andere schlüpften in die Rolle des
Kapitäns und nahmen auf dem Chefsessel Platz. Es war ein spannender und
erhabener Moment von der Brücke das Boot zu „steuern“. Seefest und voller
maritimer Eindrücke ging es wieder an Land.
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Ende und Abschlussrunde
An Land sammelten sich die
Jugendlichen zum Abschlussgespräch im Betreuungsgebäude der Kaserne. In
gemütlicher Atmosphäre wurde die Woche ausgewertet und die Schüler erhielten
einen kurzen Einblick über Einsatzmöglichkeiten in den technischen Berufen
der Marine und informierten sich über Ausbildungsmöglichkeiten in der
Marine. Die Schüler zeigten sich beeindruckt von den Erlebnissen der
vergangenen Tage. Tim Zachow aus Berlin haben besonders die Werkstätten
gefallen. „Die praktischen Übungen waren toll. Das Löten und die
Elektrotechnik haben mich begeistert. Ich möchte jetzt bei der Marine in der
Elektrotechnik anfangen“, berichtet der 18-jährige Schüler. Astrid Lotzmann,
ebenfalls aus Berlin, ist sehr angetan von den Erfahrungen dieser Woche.
„Das war Marine zum Anfassen. Die Erfahrungen die ich hier an der MTS
erleben durfte sind Goldstaub. Es ist toll, wie die Marine in uns junge
Menschen investiert. Ich habe das alles zum ersten Mal erlebt“, sagte die
Teilnehmerin.